23.02.2012

JUST KIDS Freiburg










Danke Hansi!

Mehr als eine szenische Lesung

Ein Schauspieler-Musiker-Duo hat im White Rabbit Patti Smiths "Just Kids" auf die Bühne gebracht.

  1. Rike Schubert erweckt einen Freund von Robert Mapplethorpe mit Hilfe einer Handpuppe zum Leben. Foto: thomas kunz

Diese Patti Smith hat 50er Jahre Anleihen, wie sie so nett und adrett, ihr Köfferchen auf dem Schoß umklammernd, ins Publikum linst. Überhaupt unternimmt Rike Schubert bei ihrer szenischen Lesung von Patti Smiths "Just Kids" kaum Anstrengungen, so auszusehen wie die Godmother of Punk. Ihr "gelb-rot kariertes Köfferchen", so steht es im Buch, ist für jedermann sichtbar schwarz und ihr Haar braun und kurz. Diese Verspieltheit und eine Prise Textuntreue machen den Auftritt der Schauspielerin Rike Schubert und des Popmusikers Noel Rademacher am Dienstagabend im White Rabbit in Freiburg zu einem Erfolg.

Die beiden Berliner sind einfallsreich. Mit wenigen Mitteln – einer Stellwand, einer Gitarre, einer Ukulele und drei Puppen – erzählen sie die Geschichte der Freundschaft zwischen Patti Smith und dem berühmten US-Fotografen Robert Mapplethorpe. Wie die beiden sich 1969 in New York kennengelernt haben. Wie sie ein Paar wurden, einander in ihrer Kunst bestärkten, sich trennten. Wie Robert sich outete und 1989 an Aids starb. Rike Schubert liest und erweckt Handpuppen zum Leben, Noel Rademacher begleitet sie auf seiner Gitarre. Songs von Tim Hardin, Arthur Russell, Nico und The Velvet Underground singen sie im Duo oder alleine. Die ruhige Gitarrenmusik, der einfache, aber schöne Gesang und freilich die Liedtexte passen wunderbar zu der unaufgeregten Produktion.

Wo es geht, improvisiert Rike Schubert: Den Bundesstaat Wisconsin, aus dem Freunde von Robert Mapplethorpe stammen, vergleicht sie – schelmischer Blick ins Publikum – mit Schwaben. Als das Licht im Saal ungewollt angeht, bindet die Schauspielerin die Bitte, es auszuschalten, charmant in ihre Darbietung mit ein. An manchen Stellen berlinert sie, löst sich vom Text, an anderen spricht sie Englisch. Etwa, als sie am Ende ihrer Vorführung eine zerzauste Andy Warhol-Puppe aus ihrem nicht gelb-rot karierten Köfferchen zaubert und den Künstler über den verstorbenen Robert Mapplethorpe philosophieren lässt – in zusammenhangsloser 15-Minuten-Ruhm-Manier.

Dass Schubert und Rademacher sich nicht sklavisch an Patti Smiths Aufzeichnungen halten, davon lebt ihre szenische Lesung. Etwa die Idee, Patti Smiths weggegebenes Baby als Handpuppe auftreten und lispelnd über Abtreibung und Adoption faseln zu lassen, ist mutig – und, da Schubert den richtigen Ton trifft, witzig.

An der Stellwand hängen zu Anfang nur wenige Dinge: jeweils ein Kinderfoto von Patti und Robert und ein New-York-Stadtplan. Im Laufe der Lesung wächst das Bühnenbild. Während Rike Schubert erzählt oder ihre Puppen sprechen lässt, pinnt Noel Rademacher mit Liebe zum Detail kleine Figuren an die Wand (es geht um Roberts Besessenheit mit katholischen Ikonen), Bäume (es ist von einem Park die Rede) oder ein Foto des Chelsea Hotels (dort haben Patti und Robert gewohnt). Als die Lesung sich dem Ende nähert, löst Noel Rademacher die Jahreszahl vom Kopf der Stellwand und lässt Kalenderblatt nach Kalenderblatt zu Boden segeln. Stehen bleibt das Jahr 1989. Am 9. März starb Robert Mapplethorpe. Patti Smith hatte ihn vorher noch besucht.

Eine Stunde ist wie im Flug vergangen. Denn Rike Schubert und Noel Rademacher wissen, wie man mit wenigen Mitteln viel bewirken kann.

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